Neuanfang in der Altenpflege
Projekt Vorklasse Pflege an der Altenpflegeschule in Passau bietet Migranten intensiven Deutschunterricht und ein Sprungbrett ins Berufsleben
Windorf. Gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt die Altenpflegeschule der Berufsakademie Passau (BAP) mit dem Projekt „Vorklasse Pflege“.

Schnuppern erste Praxisluft: Raghdaa Asaad (r.) und Yamen Hussein (l.) absolvierten ein dreiwöchiges Praktikum im Rahmen der "Vorklasse Pflege". Hier mit Bewohner Waldemar Bayerl.; Foto: BAP
Asylbewerbern und Migranten bietet das Projekt die Chance, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen und die neue Heimat und deren Kultur und Regeln im Unterricht besser kennen zu lernen. Gleichzeitig soll so das Personal-Vakuum im Pflegebereich gefüllt werden. Zum Ende der Praktikums-Periode im Januar haben sich die Leiterin eines teilnehmenden Seniorenheims in Windorf, Eva Weithmann, Klassenleiterin der Vorklasse, Ximena Carrasco und Geschäftsleiterin der BAP, Barbara Brauckmann mit zwei Schülern zum Nachgespräch getroffen.
„Ich bin glücklich, zufrieden und sehr dankbar“
Die 34-jährige Raghdaa Asaad und der 32-jährige Yamen Hussein sind 2015 aus Syrien nach Passau gekommen. Beide arbeiteten in ihrem Geburtsland in völlig anderen Bereichen: Sie als Französischlehrerin, er als Journalist. Als klar wird, dass beide in Deutschland erst einmal nicht die Möglichkeit haben werden, ihren erlernten Berufen nachzugehen, wagen sie einen Neuanfang. Seit dem letzten Jahr gibt es für Asylbewerber und Migranten die Möglichkeit, im Landkreis Passau Teil eines Projekts zu sein, das ihnen eine berufliche Perspektive im Pflegebereich bietet.
Die „Vorklasse Pflege“ entstammt einem Modell des Kultusministeriums und wird von diesem auch finanziell unterstützt, erklärt Geschäftsleiterin der BAP, Barbara Brauckmann. Von dem Erfolg des Projekts ist sie überzeugt: „Ein ganz hervorragendes Modell, das sich das Ministerium hier überlegt hat. Das Problem des Pfleger-Mangels wird so in die Hände der Experten gegeben, in die der Pflegeschulen.
Einen großen Teil des Stundenplans nimmt der Deutschunterricht ein: 18 Stunden in der Woche, davon sechs berufsbezogen. Ziel ist das B2-Sprachniveau am Ende des Schuljahres. Dazu kommen Sozial-, Lebens- und Berufskunde, sowie Fachunterricht.
„Ich bin glücklich, zufrieden und sehr dankbar“, sagt Yamen Hussein ruhig und langsam, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Raghdaa Asaad nickt zustimmend. Beide befanden sich nach rund vier Monaten Theorieunterricht nun für drei Wochen im Praktikum, im Seniorenheim in Windorf. Heimleiterin Eva Weithmann lobt die zwei Praktikanten: „Mit den beiden haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Mich freut es besonders, dass sie in unserem Team gut aufgenommen worden sind und auch unsere Bewohner sich an sie gewöhnt haben.“ Gerade sei sie dabei, Möglichkeiten nach der Vorklasse für beide zu schaffen, so dass beiden eine einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer oder zur dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachkraft ermöglicht werden kann.
„Am Anfang war es sehr schwer, die bairische Sprache zu verstehen“, gibt Raghdaa Asaad zu. Mit der Zeit wurde es aber immer besser und sie spreche mittlerweile selbst schon vereinzelt im Dialekt: „Freilich“ und „Wos?“ gehört schon zum alltäglichen Sprachgebrauch. „Ich glaube aber, manchmal verstehen sich die Leute untereinander selbst nicht“, wirft Yamen Hussein schmunzelnd ein.
Er freut sich, dass er von den Senioren gut aufgenommen wurde. „Eine Frau hat gesagt, dass sie nächste Woche einen Zahnarzttermin hat und ich sie unbedingt begleiten soll. Leider bin ich da nicht mehr da“, erzählt er.
Für Klassenlehrerin Ximena Carrasco ist es keine Überraschung, dass die Bewohner den ausländischen Praktikanten so offen gegenüberstehen: „Sie sind einfach froh, dass sie Hilfe bekommen und sich jemand um sie kümmert. Da spielt die Nationalität und Religion kaum eine Rolle“.
17 Schüler aus zehn verschiedenen Ländern
17 Schüler sind in der Vorklasse. „Richtig Multi-Kulti“, sagt Carrasco. Denn die Schüler kommen aus zehn verschiedenen Ländern aus allen Teilen der Welt: Afghanistan, Iran, Kasachstan, Kroatien, Russland, Syrien, Togo, Türkei, Uganda und sogar der USA. Probleme gebe es kaum, auch nicht mehr als in anderen Klassen. Ein Schüler verließ die Klasse. „Für ihn war es sehr hart, sich anzupassen. Er hatte auch schwere familiäre Probleme und geht nun nach Syrien zurück“, so Elisabeth Ernst, die verwaltungstechnische Aufgaben in der BAP innehat. „Insgesamt ist die Gruppe aber sehr homogen und harmonisch, das fand ich anfangs selbst sehr überraschend, aber das freut uns natürlich umso mehr“, fährt sie fort. So werde fast täglich gemeinsam zu Mittag gegessen und es entstanden untereinander engere Freundschaften. „An Weihnachten haben die Schüler sogar zusammen gekocht und gefeiert“, erzählt Elisabeth Ernst.
Am Ende des Schuljahres bekommen die Schüler ein Zertifikat als „Zusätzliche Betreuungskraft in stationären Pflegeeinrichtungen“, eine Beurteilung und machen den B2-Sprachtest. Ein großer Teil der Schüler wird sich laut Elisabeth Brauckmann für eine Ausbildungsstelle bewerben, einige haben sogar schon Angebote. Die „Vorklasse Pflege“ soll seitens der BAP unbedingt weitergeführt werden: „Wir wollen gerne im kommenden Schuljahr wieder eine Klasse haben, wenn es die Teilnehmerzahlen zulassen“, sagt Elisabeth Brauckmann.
Quelle: Passauer Neue Presse_Ralf Enzensberger_15.02.2019